Lernen A. D. 2038
Wo stehen wir in 25 Jahren, falls uns dann der Himmel noch nicht auf den Kopf gefallen ist?
Brauchen wir noch Hochschulen, wenn alles Lernen “Open Online” ist? Was denkt Ihr vor dem Hintergrund der digitalen Medien und Möglichkeiten über Lernen und Lehren in 25 Jahren?
2038 sieht garantiert alles anders aus, aber ebenso sicher wird es keinesfalls so aussehen, wie wir es uns ausmalen – die Science Fiction ist mittlerweile alt genug, damit man sich mit der Lektüre älterer Romane oder dem Hochgenuss älterer Filme sehr gut vor Augen führen kann, wie wenig wir uns die Zukunft vorstellen können. Das soll mich aber nicht vom Philosophieren abhalten: Ich bin Optimist, dementsprechend ist unsre Zukunft eine gute und nicht von einem WIssensmonopol, Suchmaschinenzensur oder neuaufgelegter Bücherverbrennung geprägt. Vielmehr hoffe ich inständig, dass die Menschheit es in 25 Jahren endlich auf die Reihe bekommen hat, Geräte zu bauen, die eine akzeptable Zeit weder kaputtgehen noch derart veralten, dass die nutzlos werden.
In meiner Zukunft hat jeder einen Taschenrechner, also einen Rechner für die Tasche, der quasi unzerstörbar ist, dessen wie auch immer geartete (vermutlich saubere) Energiequelle monatelang hält und der – das ist das allerwichtigste – zu absolut jedem anderen Taschenrechner vollständig kompatibel ist. Kommunikation ist damit absolut überall, jederzeit und mit jedem (der einverstanden ist) möglich. Bücher zu lesen ist außer auf analogem Wege auch digital mit einem elektronischen Buch möglich, das digitalisierte Bücher täuschend echt auf Seiten aus Spezialpapier darstellen kann. Ein Projekt zur Digitalisierung jeglicher Literatur ist grade im Anlaufen, nach wie vor gibt es aber noch nicht jedes Buch in digitaler Form, weshalb die analoge Lektüre zumindest für Fachwissen unumgänglich ist.
Soweit zu den Rahmenbedingungen, aber können diese fortschrittlichen Medien Hochschulunterricht ersetzen? Absolut nicht. Da wäre der Aspekt der Gruppendynamik: Wer von uns würde schon den Stoff eines Seminars gern auf sich allein gestellt durchgehen, statt sich mit Kommilitonen mit ähnlichen Interessen zu treffen und angeregt vom eigenen Wissensdurst auf fast schon spielerische Art und Weise eine Veranstaltung im Dialog mit einem kompetenten Dozenten aktiv mitzugestalten? Ich kann mir ganz ausgezeichnet selbst Dinge beibringen und auch komplizierte Thematiken autodidaktisch erschließen, könnte aber trotzdem niemals auf den bedeutenden Motivations- und Ideenschub, den mir die Gedanken und Ansichten der Mitstudenten und des Dozenten wöchentlich wieder geben, verzichten. Meiner Wahrnehmung nach lernt man vieles im Studium durch den Austausch mit Studenten und Lehrenden, durch deren Fragen und notwendigerweise verschiedenen Sichtweisen – dieser Austausch ist auch mit der hochauflösendsten Videokonferenz nicht zu erreichen, und ich kann mir kein digitales Medium vorstellen, das einen Austausch in dieser Tiefe ermöglichen könnte. Ein solches Medium müsste so beschaffen sein, dass es wirklich alle Komponenten unserer ja recht komplexen Kommunikation vollständig übermitteln kann – vielleicht ist das in 100 Jahren möglich, nicht aber in 25.