Sächsischer Offener Onlinekurs – ist das so schwer?
von dessert
Seit dem Beginn dieses Kurses (also des SOOK ;)) frage ich mich, wieso in den digitalen Medien und entsprechend auch im Kurs eigentlich die Notwendigkeit besteht, alles und jedes mit englischen Begriffen zu bezeichnen. Die Franzosen bekommen es zumindest teilweise noch hin, ihre Sprache zu bewahren, wenn sie das Gesichtsbuch analog übersetzt „le livre des visages“ nennen (ebenso wie ich das hier in meinem Blog durchzusetzen versuche). Das jedoch ist ja schon ein großer Eingriff zu nennen, mir stellen sich hier viel basalere Fragen: Warum wird ein Wort wie „Sächsisch“ plötzlich übersetzt? Es ist reiner Zufall, dass es für „Sächsisch“ (geschichtlich bedingt) überhaupt ein englisches Wort gibt – „Siegen“ muss sich dann mit schnödem Deutsch begnügen, und wir können wohl offenbar von Glück reden, dass wir keine Brandenburger oder gar Württemberger sind, denn da scheitert das Englische genauso. Was bringt das, und wem? Das würde mich mal interessieren.
Dass die digitalen Medien ausschließlich über englische Begriffe verfügen, liegt offenbar an der Faulheit bzw. dem mangelnden Erfindungsgeist der deutschen Sprecher, so übernimmt man eben lieber Begriffe statt neue in der eigenen Sprache zu bilden. Das ist aber kritisch zu betrachten, denn selbst unter uns im Kurs, die wir uns bewusst und aktiv mit dem Thema auseinandersetzen, waren am Rande der analogen Einführungsveranstaltung kritische Stimmen zu hören: Social Media, Hashtag, Sharing… Blogautorin Austrellia scheint schon fast zu resignieren: „oh man, alles beruht auf der englischen Sprache“ – Aber warum eigentlich? Was hindert uns daran, von z. B. „Sozialen Medien“ zu sprechen, sodass auch Uneingeweihte eine Chance haben, sich ein Bild von dem zu machen, was gemeint ist? Warum nennen wir den „Hashtag“ nicht einfach „Doppelkreuzbezeichnung“, sodass sich der Begriff von selbst erklärt? Zugegeben, das ist etwas länger, aber dafür wissen garantiert weit mehr Menschen etwas mit „Doppelkreuz“ anzufangen als mit „hash“. „Sharing“ heißt nichts anderes als „teilen“ oder „gemeinsam benutzen“: Meine Großmutter würde es sofort verstehen, wenn ich ihr erklärte, dass sich mehrere Leute ein Auto teilen („gemeinsame Autonutzung“ betreiben), oder ich wähle eben den anderen Weg und hämmere der armen Seele unbarmherzig das Unwort Carsharing ein, nur um es doch wieder erklären zu müssen.
Wirklich nicht mehr verstehen kann ich diese krampfhafte Anglizierungswut bei Wörtern, die ein semantisch gleiches deutsches Wort übersetzen: Warum spricht man denn von einem „Network“, wenn die deutsche Entsprechung „Netzwerk“ nicht nur dasselbe Wort darstellt, sondern auch genau dieselbe Bedeutung hat? Ähnlich ist es bei den bereits aufgeführten „Social Media“ – wo ist da der Unterschied, bzw. worin besteht der Nutzen einer englischen Bezeichnung?
Ich sehe hierin eine riesige Schwäche der digitalen Medien, die unbedingt thematisiert werden sollte, denn die fremden Begriffen vermehren nur noch die ohnehin großen Unsicherheiten und Berührungsängste mit den neuen Medien – ich glaube, wenn wir es schaffen wollen, den Menschen Nutzen und Vorteile digitaler Medien nahezubringen, sollten wir daran arbeiten, sie ihnen verständlich zu machen, und dazu ist ihre Muttersprache die erste Wahl.
Ich finde deinen Artikel wirklich gut, denn oft finde ich auch, dass man die deutsche Entsprechung nutzen kann. Aber bei Unternehmens Bezeichnungen wie Facebook ist es dann doch albern. Außerdem finde ich, steht die Ästhetik an erster stelle. Wenn es gut klingt, dann ist es auch Ok englische Wörter zu benutzen, denn sächsischer offener Kurs klingt doof, noch dazu wenn die Phase zum Sprachkauderwelsch wird, weil sich “online “ dann doch wieder nicht ordentlich übersetzen lässt. Also ich plädiere für mehr Entspannung in der frage, denn pedantisches übersetzen von etablierten Phrasen oder Eigennamen ist dann auch wieder “uncool“ 😉
„Kurs“/“Course“ ist aber im Grunde weder Deutsch noch Englisch, sondern Latein. 😉 „Online“ ist meiner Ansicht nach mal ein Beispiel für ein wirklich notwendiges Fremdwort: Mir ist kein deutsches Wort bekannt, mit dem man es übersetzen könnte. Sagst du nicht auch Wörter wie „Onlineveranstaltung“, „Onlineversandhandel“ oder „Onlinerecherche“? Das wäre ja dann auch alles Sprachkauderwelsch…
Als Plädoyer für pedantisches Übersetzen war der Beitrag nicht gemeint, sondern eher als Anregung zum bewussten Sprachgebrauch.
Habe ich auch so verstanden.
Ich würde mir häufiger eine unaufgeregtere Haltung zu Begriffen wünschen, so auch für zu der Verwendung von Anglizismen.
Die Sache ist doch letztendlich die: Sprache kann nicht festgelegt werden. Dass jetzt gerade Englisch immer so im Fokus steht, liegt wohl schlicht und einfach am alten Imperialismus, der Macht der USA und der wachsenden Globalisierung. Dem geschuldet ist auch, dass Englisch insgesamt eine „leicht“ zu lernende Sprache ist, weil es kaum Inflektionen hat. Und gerade im Netz ist kurz besser als lang. Als hätte irgendjemand die Geduld immer wieder Doppelkreuz zu sagen oder zu schreiben. Außerdem kommt der Begriff „hashtag“ ja gerade aus der Anwendung durch vor allem Twitter und das zum größten Teil eben durch Amerikaner. Andere Sprachen borgen auch vom Deutschen, das ist wirklich nichts Besonderes. Am Ende entwickelt sich der Sprachgebrauch nach den Einflüssen in der Kultur. Wenn du also an der Sprache bzw. ihrer Verwendung etwas ändern willst, musst du an der Kultur etwas ändern. Das Internet ist nun mal zum größten Teil Englisch.
Solche Sachen wie Netzwerk „Network“ zu nennen…ist schon sinnfrei. Dazu fallen mir auch Buchtitel oder Filmtitel ein, die absolut bescheuerte deutsche Übersetzungen bekommen (also vom Englischen ins Deutsche). Das ist genauso dämlich. Alles nur, damit es ja Deutsch ist. Es geht also durchaus auch in die andere Richtung. Als Autor fände ich es nervig, wenn so ein eher neutraler Titel wie „A Matter of Choice“ mit „Eine Frage der Liebe“ übersetzt wird. Vor allem, wenn man kein großer Fan von Kitsch ist. Ich finde es gar nicht so schlecht, wenn Wörter, die nun mal aus einer bestimmten Sprache heraus entstanden sind, auch in anderen Ländern benutzt werden. Das fördert auch durchaus das Sprachverständnis. Die ältere Generation tut sich übrigens oftmals schwer damit die Veränderungen zu verstehen und zu akzeptieren. Mein Opa ist das cooler. Wir machen uns immer einen Spaß daraus, wenn er versucht „Thriller“ auszusprechen. Und er nervt mich (obwohl er es besser weiß) damit, wie er das Wort „Receiver“ ausspricht.
Sich über den Gebrauch von einer anderen Sprache zu ärgern ist meiner Meinung nach einfach verschwendete Zeit und Mühe. Sprache lebt und gedeiht und verändert sich. Man bedenke, ca. 1/3 der englischen Sprache ist germanischen Ursprungs, und mehr noch stammt aus dem Französischen. Die Sprachen sind alle eng mit einander verwandt. Was für eine Rolle spielt es also wirklich? Deutsch wird als Sprache sicherlich nicht so schnell aussterben.
Die Franzosen leben die Internetkultur garantiert genauso wie wir, und können trotzdem übersetzen – ich bin nicht der Meinung, dass Sprache nicht beeinflussbar ist. Der kulturelle EInfluss liegt hier wohl eher darin, dass man in Frankreich genug Selbstbewusstsein hat, seine eigene Sprache zu benutzen, während unser Deutsch manchen offenbar als zu altbacken und unmodern erscheint.
Auch wenn ich das sehr schade finde, hab ich mit dem Englischen kein Problem, aber ich glaube (siehe letzer Absatz des Beitrags), dass das vielen anderen Menschen durchaus anders geht, auch wenn sie es natürlich nicht zugeben würden. Natürlich sind Deutsch und Englisch im Grunde beides nur westgermanische Dialekte, und mit so gut wie allen erdenklichen europäischen Sprachen (bis auf z.B. Finnisch und Ungarisch) verwandt, dementsprechend bleibt es in der Familie. Trotzdem glaubt mir irgendwie keiner, wenn ich sage, dass Sanskrit (=“Indisch“) wegen der Verwandtschaft eigentlich leicht zu lernen ist, und mit dem Graecum tut sich auch so mancher schwer – offenbar spielt es also doch eine Rolle.
Deutsch stirbt so schnell nicht aus, da bin ich ganz deiner Meinung, da muss man keine Sorge haben.
Man sollte nicht vergessen, dass wir es sind, die Sprache benutzen. Damit haben wir auch die Möglichkeit, sie zu gestalten. Wenn du z. B. fortan nur noch von „Sozialen Medien“ sprichst, wird dein Umfeld das wahr- und eventuell übernehmen. Ab der fünften meiner Schulzeit hab ich durch konsequente Verbesserung meine gesamte Klasse spielerisch für den Unterschied zwischen „wo“ und „als“ sensibilisiert. Das ging so weit, dass sie ihrerseits bei ihren Eltern darauf geachtet haben, sodass das denn sogar Thema eines Elternabends wurde – und als ich nach einem Auslandsjahr zurückkehrte, begrüßte mich eine Lehrerin mit den Worten „Oh, jetzt müssen wir wieder alles richtig sagen.“ Habe ich da etwa an der Kultur etwas geändert? Ein anderes Beispiel ist mein Sohn: Da ich das Wort „Papa“ nicht sonderlich schön finde, setze ich bei ihm die Bezeichnung „Vater“ durch. Das finden viele altbacken und verbinden mit dem Wort eine gewisse emotionale Distanz, aber – und das ist der springende Punkt – mein Sohn lernt mich als „Vater“ kennen, und damit wird das Wort für ihn für unsere Beziehung stehen, nicht für das, was andere vielleicht damit verbinden. Auch an dieser Stelle bin ich also direkt involviert, was die Bedeutung eines Wortes für zumindest diesen einen Menschen und in der Folge auch für sein Umfeld angeht.
Wie gesagt, manchen gefällt Englisch nicht und da wird dann zwanghaft ins Deutsche übersetzt. Ich finde das muss halt nicht sein. Wenn viele Worte aus fremden Sprachen in der eigenen landen, kann das nur dem Sprachverständnis zu Gute kommen. Sorry, wenn ich mich hier wiederhole. Aber dieses „Warum benutzt den keiner Deutsch“ höre ich öfter. Und ja, natürlich sind letztendlich alle Sprachen irgendwie miteinander verwandt, aber Deutsch und Englisch sind wohl doch näher verwandt als Deutsch und Sanskrit. Vor allem die Schrift würde ich meinen.
Du redest in deinem Blog dennoch meiner Meinung zu pedantisch über das Thema. Die Franzosen bekommen es ja auch hin, so nach dem Motto. Das ist nicht wirklich ein Argument, oder? Facebook heißt nun mal Facebook. Wie Andrea schon sagte, das ist immerhin auch der Name der Firma. Das sollte man so stehen lassen. Außerdem gibt es keine perfekte Übersetzung. Oftmals gehen Bedeutungsinhalte verloren, die man nur unter dem Aspekt des jeweiligen kulturellen Raumes wirklich versteht. Immer alles akribisch zu übersetzen (wie gesagt, bei ein paar wenigen Ausnahmen würde ich vielleicht noch zustimmen), ist doch lächerlich.
Also, wenn ich nun mal zurückdenke und mich in die Zeit versetze, wo Twitter mir noch eine Terra incognita war und ich erst einmal rausfinden musste, was es mit den „#“ auf sich hat, muss ich sagen, dass es mir damals nicht viel geholfen hätte, „#“ als „hashtag“ oder „Rautenzeichen“, „Doppelkreuzbezeichnung“ oder so bezeichnet zu wissen. Da ich mich mit Twitter nicht auskannte, war es mir einfach unmöglich, von dem Bezeichnenden auf das Bezeichnete zu kommen, ich wusste eben nicht: Wofür werden „#“ gesetzt? Und ob das beispielsweise im Fall von „sharing“ anders ist? Kann ich mit „teilen“ oder „gemeinsam nutzen“ eher etwas anfangen? Und bei manchen Bezeichnungen ist es schon fast einerlei, ob ich deutsch oder englisch lese: Was „Social Media“ ins Deutsche übersetzt heißt, kann auch jemand sagen, der kaum oder kein Englisch beherrscht.
Sprachpurismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Sprachpurismus) gibt es schon seit Jahrhunderten. Dennoch ist es nie wirklich gelungen, Einflüsse aus fremden Sprachen auf die eigene Sprache wirklich zu vermeiden. Da hätte es früher etwa gelingen müssen, sich von gesellschaftlichen, kulturellen Umbrüchen abzuschotten. Man denke hier an die Zeit, als sich das Christentum ausbreitete und die Kirche an Einfluss gewann und darauf dann auch bestimmte griechische und lateinische Namen aus der ‚Kirchensprache‘ ins Deutsche übergingen. Vielleicht ist es dann auch heute nur logisch, dass wir v. a. mit englischen Begriffen konfrontiert werden, da der ‚digitale Umbruch‘ eben aus dem angloamerikanischen Raum kommt.
Immer langsam mit den jungen Pferden: Wer spricht denn hier von Sprachpurismus? Steht nicht im Blogtitel selbst das Wort „online“? Es geht absolut nicht darum, Einflüsse des Englischen zu vermeiden, sondern lediglich auf ein sinnvolles Maß zu begrenzen – mir scheint es so, als müsse heutzutage jede Bezeichnung, die nicht altbacken erscheinen will, unbedingt englisch sein, und das ist einfach hanebüchener Unsinn. Wie sonst ist die Übersetzung von „Sächsisch“ zu erklären?
„Was “Social Media” ins Deutsche übersetzt heißt, kann auch jemand sagen, der kaum oder kein Englisch beherrscht.“ – da widerspreche ich entschieden, insbesondere in gesprochener Sprache führt die abweichende Lautung dazu, dass die Parallele zum Deutschen eben nicht ohne weiteres herzustellen ist.
Ja, ich persönlich empfinde es auch manchmal als lästig, überall nur Englisches oder Denglisches zu lesen. Ich denke mir dann manchmal, wie es wohl für Leute ist, die kein Englisch gelernt haben, … Wenn es um Begrenzung geht, dann müsste man natürlich u. a. fragen: Kann man Sprachwandel überhaupt dirigistisch einhegen? Und wie begrenzt man und wo will man warum begrenzen? – Was den „Saxon Open Online Course“ könnte man sagen: Ein Mooc ist theoretisch ja nicht auf den deutschsprachigen Raum begrenzt. Das engl. „Saxon …“ ist internationaler und spricht ein internat. Publikum an… (Allerdings müssten dann konsequenterweise auch noch die Beiträge der Gatsgeberinnen auf der offiziellen Kursseite in englischer Version vorliegen..) …
@flori81: Was die Begrenzungskriterien angeht, sollte mein Beitrag schlichtweg mal an den gesunden Menschenverstand appellieren, denn wenn man über bestimmte Wörter mal kurz nachdenkt, weiß man doch meistens schon, inwiefern diese Bezeichnung nötig oder sinnvoll ist, Bsp. Network vs. Netzwerk.
Beim zweiten Punkt hast du absolut Recht: Mit der englischen Bezeichnung erreicht man eher ein internationales Publikum (auch wenn Deutsch den internationalen Vergleich übrigens keineswegs zu scheuen braucht, in Brasilien z. B. lernen die Menschen viel lieber Deutsch als Englisch), aber was bringt das, wenn die Beiträge fast alle auf Deutsch sind? Ich finde, dann könnte einfach auch die Kursbezeichnung deutsch sein, dann wüsste auch der internationale Teilnehmer sofort, woran er ist.
Hallo rumbelwumbel,
jetzt will ich auch mal meinen Senf dazu geben, die Diskussion ist ja schon einigermaßen fortgeschritten.
Ich persönlich kann deinen Standpunkt gut nachvollziehen. Gegen Begriffe wie „online“ kann man meiner Ansicht nach nichts einwenden, da sie etwas bezeichnen, dass es vorher so nicht gab und das eben der erste Begriff dafür war. Und ich kenne ebenfalls kein deutsches Wort, welches das auch nur ansatzweise repäsentieren würde. Anders sieht es mit Worten aus, für die es gute deutsche Entsprechungen gibt, die einfach nur selten benutzt werden, vielleicht weil man glaubt, mit Englisch würde es professioneller klingen. Nur läuft man dann Gefahr, nicht verstanden zu werden.
Andererseits würde ich das alles nicht zu eng sehen. Ich selbst achte schon durch mein Umfeld darauf, welche Begriffe ich benutze, denn meiner Oma kann ich nur schwer begreiflich machen, was „Social Media“ sind, dabei ist sie durchaus aktiv im Internet. Sprache besteht aber nunmal aus Wandel, und zur Zeit der Kriege gegen Napoleon hat man sich vielleicht genau so über den Einfluss des Französischen aufgeregt. Der ist ja vor allem in unserem Heimatdialekt unstrittig. Fisimatentchn 😀 Um nur mal ein Beispiel zu nennen. Ich finde es eigentlich sogar sehr spannend, wie sich Sprache verändert und warum. Einen Punkt, den du ansprichtst, finde ich besonders interessant: dass die Franzosen – im Gegensatzt zu den Deutschen- das kollektive Selbstbewusstsein hätten, auf „ihrer“ Sprache zu bestehen. Woran könnte es deiner Meinung nach liegen, dass wir dieses Selbstbewusstsein nicht haben? Oder liegt es vielleicht an der politischen Nähe zu den englischsprachigen Nationen? Deine Meinung würde mich interessieren.
Am Französischen hat mich übrigens unanhängig davon die Eigenart begeistert, alles -auch die wenigen übernommenen Begriffe- nach den herrschenden Aussprachregeln zu artikulieren. So bleibt grade in einer melodiösen Sprache wie Französisch das Gesamtbild erhalten. Deutsch würde ich aber nicht gerade als melodiös bezeichnen…
Übrigens: auch das Englische hat einige Begriffe übernommen, wenn es für das entsprechende Konzept kein passendes englisches Wort gab. Traurigerweise gehören dazu auch Dinge wie „Blitzkrieg“ und „verboten“, aber auch „Mensch“, „gemütlich“ und -natürlich- „Bratwurst“ 🙂 Was das wohl für ein Gesamtbild ist…
In diesem Sinne erstmal liebe Grüße und vielleicht einige Denkanstöße,
problembaum
„Woran könnte es liegen, dass wir dieses Selbstbewusstsein nicht haben?“
Eine verdammt gute Frage! Für mich ist das eine der langfristigsten Nachwirkungen des letzten Weltkriegs. Wenn ich mich auf deutschen Straßen umsehe, dann sehe ich niemanden, der irgendetwas darauf gibt, Deutscher zu sein. Viele haben sogar schon vor der Bezeichnung Angst und sagen z. B. im Ausland lieber „Ich komme aus Deutschland“ – und das ist kein Wunder, wenn jeder sofort verdächtigt wird, ein Nazi und Fremdenhasser zu sein, wenn er als Deutscher sein Land auch nur ein klein wenig mag. Das ist natürlich überspitzt formuliert, aber ich habe im Ausland bisher allenthalben nur ein besseres Verhältnis zur eigenen Nation wahrgenommen – man muss es ja nicht gleich übertreiben und wie die Amerikaner ne Flagge in jeden Garten stellen und früh alle Schüler die Hymne singen lassen, aber ich finde, man sollte zu seiner Herkunft stehen, auch wenn irgendwelche Blödmänner in der Vergangenheit Mist gebaut und den Namen Deutschlands in den Dreck gezogen haben. Interessanterweise funktioniert das alle vier Jahre zur WM plötzlich wunderbar: Plötzlich sind wir alle gemeinsam unverpönt Deutsche, weil ein paar Leichtbekleidete ein totes Schwein malträtieren – aber kaum ist der Titel verschenkt, verschwindet der Spuk so schnell wie er gekommen ist. Auf Wiedersehen Nationalstolz, hasta la vista in vier Jahren. Warum nur?
Dementsprechend scheinen mir viele Deutsche ihre Sprache wahrzunehmen, als etwas, dem man sich eher schämen muss als es selbstbewusst zu verbreiten und wie die Franzosen mit Ignoranz der fremden Lautung auszuweiten. Dieses Verhalten, dieses unterschwellige Schuldgefühl für Dinge, die nun fast 70 Jahre her sind und für die längst keiner von uns noch irgendetwas kann, wird meine Wahrnehmung nach stillschweigend von Generation zu Generation weitergegeben und verhindert bei vielen Menschen eine Identifikation mit ihrer Nation.
Ich versuche alles dem entgegenzuwirken, indem ich meinen Lokalpatriotismus (Hoch lebe Sachsen!) offen in die Welt trage und zu zeigen versuche, dass wir uns unserer vielfältigen Kultur und schönen Sprache durchaus nicht zu schämen brauchen.
Ich möchte noch einmal auf den Aspekt eingehen, dass der Saxon Open Online Course englisch bezeichnet wurde und dennoch in deutsch stattfindet.
Auch wenn dies in den Anfangsmonaten der Antragsstellung dieses Projektes noch nicht absehbar war, heute profitieren wir von dem englischen Namen, denn wir haben den Kurs bereits international auf Konferenzen präsentieren dürfen: in Barcelona und demnächst in Lausanne. Das macht es einfach einfacher. Wir haben auch überlegt, ob wir den Kurs in Englisch anbieten. Uns haben drei Aspekte davon abgehalten: Zum einen die Barriere, die wir für Deutsche (Studierende) aufbauen; zum anderen die Qualitätssicherung der Beiträge (sicher können wir alle englisch schreiben und lesen, aber sicher nicht so gut wie ein Muttersprachler) und zum dritten die Zielgruppe. Wenn wir den Kurs international bewerben, bekommen wir sehr viel mehr Teilnehmende, was natürlich klasse ist, allerdings weiß ich dann nicht, ob ich vor lauter Bewertungen-schreiben überhaupt noch zum Arbeiten, Schlafen, Essen kommen würde. Das wäre schlichtweg nicht drin.
Ich ärgere mich ja fast, diese spannende Diskussion zur kritischen Zeit verpasst zu haben. Insgesamt bin ich da sehr bei Andrea: ich sehe das ganze entspannt.
Meist will ich ja, dass mich die Leute vor allem verstehen und dann nutze ich gern Begriffe, bei denen ich denke, dass sie es tun. Das führt dazu, dass ich hierdurch auch gegenüber unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedliche Begriffe verwende. Omas geben sich ja oft damit zufrieden, wenn man ihnen sagt, dass das alles im Internet ist. Beim MOOCCamp sage ich cMOOC und alle wissen, was gemeint ist. EIne Eindeutschung wie kMOOK wäre da nur hinderlich.
Aber da sind wir noch bei einem Punkt, der bisher in der Diskussion nur im Kontext von „online“ anklang: Nicht alles, was man übersetzt, bedeutet das gleiche. Massive mit massiv zu übersetzen ist bspw. keine eindeutige Lösung. Im Deutschen bedeutet massiv so etwas wie fest und stabil und damit gar nicht dieses immense, viele, überwältigende, was das Englische meint.
Und ich mag auch den Begriff „Soziale Medien“, der hier und da als Übersetzung von Social Media kursiert und auch hier vorgeschlagen wird, überhaupt nicht. In dem Teilwort „sozial“ schwingt im Deutschen immer etwas Karitatives mit, etwas Ausgleichendes, etwas Wohltätiges. „Gemeinschaftlich“ oder „Gesellschaftlich“ wäre wohl besser geeignet, aber dann versteht mich doch wirklich keiner mehr. Auch Hashtag zu übersetzen ist nicht trivial: Doppelkreuzschlagwort und nicht nur Doppelkreuzwort wäre schon treffender, aber hilft das der Kommunikation?
Wie Andrea auch schon meint: bei internationalen Publikationen bin ich froh um den Kurstitel. Dieser ist damals auch einfach als Wortspiel mit dem Begriff „MOOC“ entstanden, ohne große Hintergedanken dann natürlich auch auf englisch, weil MOOC ebenfalls ein Akronym für einen englischen Begriff ist. Die Stadt Siegen ist international unter diesem Namen bekannt, also auch kein Problem. Auch hier hatten wir kurz überlegt, ob wir diese geografische Erweiterung in das Akronym einfließen lassen, wollten aber unbedingt SS-Varianten vermeiden (sicher verständlich).
Es gibt mittlerweile so viele Begriffe, die nur schwer übersetzt werden können und englisch einfach nicht stören. Blog zum Beispiel. Meine Mutter hat sich auch eine Weile über App oder ToDo-Liste aufgeregt. Ich ertappe mich auch selbst dabei, dass ich denglische Begriffe oder Akronyme erst nachäffe, dann aber übernehme (briefen, reviewn, FYI…). Aber solange ich noch vernünftige Texte hinbekomme, wenn es drauf ankommt: so what? Viel blöder finde ich Übersetzungen vom Englischen ins Englische: E-Learning übersetze ich für englische Paper immer in „Technology enhanced learning“, weil das dort verbreiteter ist. Auch Filmtitel sind da furchtbar (bspw. Flightgirls). Oder wenn man Jugendlichen mal so zuhört: „Ich habe Sie nur ge-nut-st.“ ist einer der Lieblingssprüche, die mein Freund mal von seinen Schülern mitgebracht hat. Dazu denke ich nur: m(
[…] Teilen meines Fachs und damit mit viel Herzblut ausgetobt habe ich im Beitrag “Sächsischer Offener Onlinekurs – ist das so schwer?“, der erwartungsgemäß und zu meiner großen Freude eine beachtliche Diskussion auslöste. […]
[…] Kommentar zum Beitrag und zur Diskussion: https://rumbelwumbel.wordpress.com/2013/12/17/saechsischer-offener-onlinekurs/ […]
Nach der Lektüre des Beitrags und der Diskussion kann ich nur kopfschüttelnd fragen: “Wie eingebildet sind die Deutschen?” Grundsätzlich möchte ich klarstellen, dass ich kein Sprachwissenschaftler bin und dass ich nur auf der Grundlage meiner eigenen Beobachtungen in Deutschland sowie im Ausland diesen Kommentar formulieren kann. Ich konnte die Wahrnehmung der Deutschen nach innen als auch nach außen kennenlernen.
“Herman the German”(engl. Sprichwort)
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass früher die gleiche Diskussion in Bezug auf die Dialekte aufgekommen ist. Denn die Sprachgruppe, die am meisten gereist ist und kommuniziert hat, hatte den größeren Einfluss auf die Sprache einer weiteren Sprachgruppe.
Es ist die Erfindung des Buchdrucks, die meiner Meinung nach zu einer Art Standardisierung der Sprache führte – in Deutschland führte es zum Hochdeutschen. Aber erst durch die massenhafte Verbreitung von Büchern wurde Hochdeutsch immer bekannter und dadurch mehr praktiziert. Heutzutage, in den Zeiten des Neulands (deutsches Wort für Inter-Net) ist dieser Entwicklungsprozess wieder zuerkennen.
Sprache ist in der aktuellen Zeit durch Globalisierung und Internationalisierung geprägt. Wenn man zum Beispiel die Einträge im englischen Wikipedia mit der deutschen Wikipedia vergleicht, stellt man schnell fest, dass 2,6 mal so viele Beiträge in englischer Sprache als der deutschen Sprache verfasst wurden. Zudem ist der englischsprachige Anteil der gesamten Bevölkerung NOCH am größten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass unsere Sprache, genauso wie es durch die Verbreitung der Bücher geschehen ist, sich immer weiter zur englischen Sprache verschiebt. Aber nicht nur Englisch sondern auch weitere Sprachen sind denkbar.
Definitionsversuch:
“Bezeichnung/Definitionen in der Sprache, wie es beispielsweise die “HashTag”-Bezeichnung bei Twitter eine ist, entstehen aus dem spezifischen Kulturkreis in welchem diese Definition notwendig geworden ist und das erste Mal in einen Zusammenhang mit diesen Gegenstand/Sachverhalt genannt wurde.”
Je stärker also die Innovationskraft eines Landes, desto höher wird auch der kulturelle und somit der sprachliche Einfluss im gleichen Maße zunehmen. Ob sich in Zukunft die asiatischen Sprachen immer weiter durchsetzen werden, kann ich nicht beurteilen.
“Übersetzungsversuch: online = genetzt”
“Übersetzungsversuch: online = genetzt”
Den letzten Abschnitt möchte ich nutzen, um eine Bemerkung zur immer wiederkehrenden Argumentationskette der Deutschen zu formulieren. Welche ich bewußt provokant formuliere. Dies soll und darf nicht als persönliche Beleidigung oder gar Angriff gewertet werden.
———————————————-
Zitat von rumbelwumbel:
“Woran könnte es liegen, dass wir dieses Selbstbewusstsein nicht haben?”
Eine verdammt gute Frage! Für mich ist das eine der langfristigsten Nachwirkungen des letzten Weltkriegs. Wenn ich mich auf deutschen Straßen umsehe, dann sehe ich niemanden, der irgendetwas darauf gibt, Deutscher zu sein. Viele haben sogar schon vor der Bezeichnung Angst und sagen z. B. im Ausland lieber “Ich komme aus Deutschland” – und das ist kein Wunder, wenn jeder sofort verdächtigt wird, ein Nazi und Fremdenhasser zu sein, wenn er als Deutscher sein Land auch nur ein klein wenig mag. Das ist natürlich überspitzt formuliert, aber ich habe im Ausland bisher allenthalben nur ein besseres Verhältnis zur eigenen Nation wahrgenommen – man muss es ja nicht gleich übertreiben und wie die Amerikaner ne Flagge in jeden Garten stellen und früh alle Schüler die Hymne singen lassen, aber ich finde, man sollte zu seiner Herkunft stehen, auch wenn irgendwelche Blödmänner in der Vergangenheit Mist gebaut und den Namen Deutschlands in den Dreck gezogen haben. Interessanterweise funktioniert das alle vier Jahre zur WM plötzlich wunderbar: Plötzlich sind wir alle gemeinsam unverpönt Deutsche, weil ein paar Leichtbekleidete ein totes Schwein malträtieren – aber kaum ist der Titel verschenkt, verschwindet der Spuk so schnell wie er gekommen ist. Auf Wiedersehen Nationalstolz, hasta la vista in vier Jahren. Warum nur?
———————————————-
Indien ist 16 mal großer als Deutschland!
Deutschland hat ca. 80 Mio Einwohner!
Laut einer Studie von den Vereinten Nationen 2012 wächst die Bevölkerung jährlich um 78 Mio. Menschen. Das bedeutet, dass Deutschland ein kleines Land ist, nicht nur bezüglich der Fläche und der Bevölkerungsanzahl.
Der Kommentar von rumbelwumbel zeigt mir genau die Arroganz und Ignoranz vieler Deutschen, die möglicherweise noch nie länger im Ausland waren. Meine Außenwahrnehmung der Deutschen spiegelt sich genau in den gerade genannten Bezeichnungen wieder. Ich schäme mich Deutscher zu sein, weil ich weiß was unsere Gesellschaft, einmal Deutschland für sich und die EU als Staatengemeinschaft nach außen sowie nach innen kommuniziert und vorlebt. Ich habe zum Beispiel die Erfahrungen machen dürfen, dass ich im Ausland immer herzlich aufgenommen wurde. In Deutschland schäme ich mich regelrecht für unsere Willkommens-”kultur”. Wobei die Willkommens-”kultur” der EU im Mittelmeer und auf Lampedusa seines gleichen sucht und keinen zusätzlichen Kommentar benötigt. Diese und noch weitere gesellschaftliche Missstände können natürlich dazu führen, dass ein Außenstehender dies als Fremdenhass interpretiert.
Diese Empfindung hat meiner Meinung nach nichts mehr mit dem letzten Weltkrieg zutun, da machen es sich die Deutschen zu einfach.
Aber genau dieser Argumentation zeigt auf, dass viele Deutschen arrogant sind – es sind die anderen Schuld, da sie uns den Weltkrieg immer noch nachtragen. Diese Erfahrungen habe ich nie gemacht – mir wurde sogar erklärt, dass unsere Generation keinen direkten Bezug dazu hätte und uns das nicht auferlegt werden dürfe.
Die Welt darf Hitler und Co. nicht vergessen – das ist die geschichtliche Verantwortung aller Menschen auf dieser Welt.
Deutschland ist heute ein verzogener Sonderling!